„Hier bin ich hundertprozentig auf der sicheren Seite“
Dreimal machte Melitta J. schlechte Erfahrungen mit Vermittlungsfirmen polnischer Pflegerinnen für ihren an Silikose erkrankten Vater. Sogar die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein. Vor zwei Monaten erfolgte der Wechsel zur Schiffweiler Agentur Pflegeherzen. Seitdem kann die Familie aus dem Warndt wieder ruhiger schlafen.
Ein Samstagabend im April, zu Gast in einem Reihenhaus einer kleinen Ortschaft im Warndt. Das erste, was auffällt, ist dieses monotone Geräusch. Es stammt von einem Sauerstoffkonzentrator, der auf dem Boden steht. Ein meterlanger Schlauch verbindet das Gerät mit Günter Paul. Gerade ist der 84-Jährige mit seiner Betreuerin Jadwiga Galiniewska im Bad zu Gange. Als er wenig später in die Küche tritt, fällt seine gesunde Gesichtsfarbe auf. Das volle Haar und die Körperhaltung lassen ihn jünger erscheinen – und recht fit. Was er gleich noch mit einer Gymnastikübung unter Beweis stellt. Günter P. beugt sich zum Tisch vor und streckt hinten sein Bein nach oben. Aktiv war er immer, bei der Feuerwehr und beim Fußball, und er würde wahrscheinlich auch heute noch das eine oder andere Match mit seinen 17 Enkeln bestreiten.
Wäre da nicht die Silikose, Berufskrankheit derer, die lange unter Tage schaffen. Günter P. hat das Jahrzehnte lang. Er war Bergmann. Steigerfiguren und Grubenlampen schmücken die Wände über der Essecke, in der wir uns bei einem Kaffee zusammensetzen. „Es fehlt nichts weiter als Luft“, meint der Senior. Die Krankenkasse scheint das ähnlich zu sehen. Mehr als Pflegestufe 1 ist nicht drin. Tochter Melitta und ihre Geschwister haben trotzdem eine ganz andere Meinung: „Ich will eine hundertprozentige Betreuung, Tag und Nacht“, erklärt die 60-Jährige, die als Köchin voll berufstätig ist. Nach dem Zusammenbruch ihres Vaters vor sieben Jahren – „er hat phantasiert und die Tabletten verdröppelt, da musste er ins Krankenhaus“ – hat sie ihn zunächst selbst gepflegt „Ich war jeden Abend nach der Arbeit bis nachts hier.“ Zwei Jahre hielt die Tochter das durch, dann ging es einfach nicht mehr. „Ich hab meinem Vater quasi die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: Entweder Heim oder wir engagieren eine Polin.“
P. entschloss sich für letzteres. Kein Wunder, das Haus, wo er mit seiner vor 20 Jahren verstorbenen Frau lebte und wo ihre neun Kinder groß wurden, atmet in jedem Winkel Familiengeschichte. Fotos überall, dazu Urkunden wie die über die Turnierteilnahme der „Fußballfamilie P.“, die Holzveranda, das Grundstück mit den Gartenzwergen – hier will Günter P. noch eine ganze Weile bleiben. Am liebsten bis zum 100. Geburtstag: „Das hab ich jedenfalls vor“, meint der Senior und fügt augenzwinkernd hinzu: „Ich krieg das hin. Der Doktor sagt das auch.“
Vorausgesetzt, mit der Betreuung klappt alles. Bisher hat es das nur bedingt: „Die erste Helferin war die Tina. Da haben wir 1700 Euro an die Agentur bezahlt.“ Als Melitta Jans erfuhr, dass Tina davon ganze 350 Euro ausgezahlt wurden, hat sie gekündigt. „Bei der nächsten Agentur hat es zweieinhalb Jahre lang immer geheißen: Wir bezahlen die Sozialbeiträge, alles ist korrekt. Bis ein Schreiben kam. Der Zoll sei dagewesen.“ Melitta J. und ihr Vater wurden aufs Hauptzollamt vorgeladen. „Ich bin mir vorgekommen wie ein Verbrecher.“ Die Unterlagen liegen derzeit noch bei der Staatsanwaltschaft. Ende offen.
Unterdessen folgte Firma Nummer 3. „Die haben wieder nicht bezahlt. Da war ich so wild“, ärgert sich Melitta J. im Nachhinein. Die Wende kam mit einer Infoveranstaltung im Kreiskrankenhaus. Dort stellte sich unter anderem das Schiffweiler Unternehmen Pflegeherzen vor. Melitta J. kam mit einem der beiden Geschäftsführer ins Gespräch. „Herr Avarello bot mir an, meinen Vertrag anzuschauen.“ Genau das tat er auch am Tag drauf und siehe da: „Es war genau dasselbe wie bisher. Die Sozialleistungen müssen die polnischen Pflegekräfte selber bezahlen.“
Vor zwei Monaten wechselte sie deshalb zu Pflegeherzen. „Dort zahle ich zwar 400 Euro mehr, bin aber hundertprozentig auf der sicheren Seite.“ Jadwiga Galiniewska betreut Günter P. rund um die Uhr. Da der Bergmann gewohnheitsmäßig 5 Uhr in der Frühe aufsteht, tut sie das auch. Sie unterstützt ihn beim Ankleiden und bei der Körperpflege („Die Rasur ist meinem Vater besonders wichtig“, verrät Melitta J.), gibt ihm seine Medikamente, kocht für ihn („Gestern gab es Spargel mit Frikadellen. Ihm schmeckt alles“, lobt die Tochter), begleitet ihn bei Ausflügen oder wenn es in den Garten geht („Grumbeern raus machen“, sagt Günter Paul, aber das ist Geschichte. Der ehemalige Nutzgarten dient nur noch der Zierde) und sorgt für Unterhaltung und Abwechslung.
„Ich lasse mich gern verwöhnen, vor allem von jungen Frauen“, scherzt Günter P. und seine Betreuerin lacht mit. Jadwiga Galiniewska stammt aus Malbork und hat selbst drei Kinder. Wenn ihr die Decke auf den Kopf fällt, geht sie drei Häuser weiter zu ihrer Bekannten. Die arbeitet auch als Pflegerin, gemeinsam gehen sie gern mal shoppen nach Göttelborn – natürlich nur, wenn eines der Kinder sich um den Vater kümmern. Aller sechs Wochen fährt die 48-Jährige heim nach Polen, dann kommt ihre Vertretung hierher ins Reihenhaus. Das macht ihrem Vater, der gern ein bisschen bemuttert wird, wie Melitta Jahns lächelnd anmerkt, noch etwas Probleme. Möglicher Weise ist auch ein anderer Wechsel-Rhythmus möglich, das sei schon besprochen mit den Schiffweilern. Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit der Agentur eine ganz andere als früher. „Die von Pflegeherzen rufen alle acht Tage an, ob wir zufrieden sind und alles in Ordnung ist“, erzählt Melitta J.. „Die anderen haben immer nur kassiert.“